Die Kunst-Installation „Nur zu Ihrer Sicherheit.“ nähert sich dem Jahrestag. Am 26.12.2014 wurde sie erstmalig in Hamburg präsentiert, sechs Monate später in New York. Unter den Besucherinnen und Besuchern waren auch die Eltern von Edward Snowden, die erfreut und erstaunt waren, dass die Informatioen die ihr Sohn zu Tage gefördert hat, Inspiration für die Installation eines deutschen Künstlers ist. Die Globale Überwachungs- und Spionageaffäre ist jedoch nur eines von vielen Themen. Zu dieser Installation gibt es viel zu sagen, viel zu interpretieren. Zu viel, um es allein dem Betrachter zu überlassen. In den letzten Monaten habe ich einige Kapitel dazu geschrieben, die hier nach und nach veröffentlicht werden. Ob am Ende eine umfassende Erklärung geglückt ist, muss der Leser entscheiden. Heute, dass Vorwort.
Vorwort
Kunst erschließt sich dem ungeübten Betrachter eher selten beim ersten hinsehen. Nicht ganz umsonst witzeln Aufkleber, Kühlschrankmagnete und Postkarten seit Jahren mit dem Spruch: „Ist das Kunst oder kann das weg?“. In der Tat unterscheidet sich die Kunst hier nicht von der „restlichen Welt“, obwohl ihr das gern unterstellt wird. Selbst im Willi Baumeister Archiv liegen Papierstapel auf den Tischen mit dem Hinweis: „Vorsicht Kunst“ um Mitarbeiter, Besucher und Reinigungskräfte zu sensibilisieren. Der Wert eines Kunstgegenstandes entspricht nicht dem Materialwert, sondern der Geschichte die hinter dem Künstler und dem Werk steht. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein richtig hartgesottener Fußballfan. Fußball ist ihr Leben, Sie reisen sogar zu Auswärtsspielen und Meisterschaften rund um die Welt. Jetzt kommt jemand daher und fragt Sie, ob Sie für einen zerknitterten Zettel 100 € bezahlen würden. Sie sehen sich den Zettel an und sehen ein paar Namen von argentinischen Fußballern und irgendwelches Gekritzel dazu. Vermutlich würden Sie das Geschäft ablehnen. Nun erfahren Sie, dass dieser Zettel am 30. Juni 2006 beim Elfmeterschießen im Viertelfinale der Weltmeisterschaft Deutschland / Argentinien eine wichtige Rolle gespielt hat. Andi Köpke steckte dem Nationaltorwart Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen den „Spickzettel“ zu. Darauf standen vermeintlich Elfmeter-Gewohnheiten einiger Schützen. Lehmann hielt in diesem Spiel zwei der argentinischen Elfmeter und wurde zum Held, der Zettel zur Legende. Mit dieser Geschichte aufgeladen, hat der Zettel einen ganz anderen Wert, besonders für einen Fußballfan. 100 € klingen auf einmal wie ein Geschenk. Tatsächlich wurde dieser Zettel später bei einer Auktion für eine Million Euro versteigert. Obwohl der Zettel an sich nichts Besonderes ist und sogar von denselben Personen beliebig oft reproduziert werden kann, ist es nur genau dieser eine Zettel der diesen Wert hat. Das Beispiel zeigt, dass auch außerhalb der Kunst, Beträge für Dinge mit einem viel geringen Materialwert gezahlt werden, die einem Außenstehenden völlig unverständlich sind. Da dieser Zettel nun diesen enormen Wert hat, wird er auch interessanter für den Betrachter. Manche Menschen werden dadurch motiviert, sich darüber hinaus zu informieren. Was geschah in der Vergangenheit bei den Begegnungen zwischen Argentinien und Deutschland? Und was war das für eine Geschichte bei der WM 1986 als der argentinische Kapitän Diego Maradona seine Hand zur Hilfe nahm, um ein Tor zu erzielen? Man kommt von einem zum anderen. Die Geschichte zu einem Gegenstand bestimmt den Wert und die Wahrnehmung. Bei Kunst kommt hinzu, dass es oft zur Geschichte auch noch eine Botschaft gibt. Das können ganz offensichtliche aber auch versteckte, verschlüsselte und hochkomplexe Botschaften sein. Manchmal ist die Botschaft auch, dass es keine Botschaft gibt, manchmal denken sich Künstler auch einfach nichts und manchmal werden Arbeiten überinterpretiert. Die Kunst ist es nun, die Kunst zu analysieren [1] Ein wirklich gelungenes Wortspiel (Anm. des Lektors). , [2] Danke (Anm. des Autors). , [3] Es gibt keinen Lektor (Anm. der Redaktion). in den vorgesehenen Kontext zu setzen, die Botschaft zu erkennen. und zu interpretieren, möglicherweise sogar Handlungsempfehlungen abzuleiten. Diese Aufgabe wird nun einfach dem Betrachter aufgebürdet. Der Preis der Erkenntnis ist die Investition von Zeit in Werk und Künstler.
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