Vor 30 Jahren wurde der Einigungsvertrag unterschrieben. In diesem wurde die Auflösung der DDR, ihr Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Einheit beschlossen. In der DDR Volkskammer stimmten 73 % und im Bundestag 89 % der Abgeordneten für die Unterzeichnung des Vertrages. [1]Wikipedia: Einigungsvertrag
Wir waren immer perfekt
Dieses Jubiläum führt und führte zu einem erhöhten aufkommen von Dokumentationen, Filmen, Interviews, Bildern und Texten in den Medien. Und wie schon in der Vergangenheit oft bemerkt, fällt auf: Geschichte hängt maßgeblich davon ab wer sie erzählt oder wer sie vielleicht auch nicht erzählt. Es ist richtig, dass in Dokumentationen vielleicht Zeitzeugen gehört werden, aber die Geschichte wird vom Schnittraum und der Regie erzählt. Auch bei Dokumentationen aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich muss man genau recherchieren, wer da in die Kamera spricht und warum. Steht jemandem der beim Fall der Mauer zwei Jahre alt war, die Aussage zu, etwas in der DDR gelernt zu haben und Werte daraus mitbringt? Warum bekommen Personen die genau am 3. Oktober 1990 geboren sind eine Bühne in einer Dokumentation „Wir Ostdeutsche“? Und ist das Schicksal der Leiterin der Konsum-Drogerie am Marktplatz wirklich so tragisch? „Wir waren eine super Konsum-Drogerie mit guten Angestellten, wir waren immer perfekt, wir waren beliebt im ganzen Umfeld.“ [2]28.09.20, Min: 47:45 Helga Förster in Wir Ostdeutsche – 30 Jahre im vereinten Land Wo sind die Leute, die in der Konsum-Drogerie eingekauft haben? Wo sind die ganz durchschnittlichen Mitarbeitenden vom VEB ABC und der LPG XYZ, die jeden Tag zur Arbeit gegangen sind und am Nachmittag an der Kaufhalle vorbei wieder nach Hause? Wo sind die, die keine besonderen Lebenswege hatten? Wo sind Leute wie die Kinder von Golzow? Oder Menschen die in Cottbus im Zuchthaus oder in Bauzten II inhaftiert waren? Wo sind die, die etwas mit dem Staat zu tun hatten oder mit einem der 8.000 von der Treuhand abgewickelten Betriebe? Die Leute mit den ostdeutschen Vorzeigelebensläufen in den Dokus, hatten alle – auch mit Privatinsolvenz – mehr oder weniger Glück. So wie ich.
Passdeutsch
Ich bin an einem Ort aufgewachsen, der in den 1980er Jahren mit 12.000 Wohnungen und fast 35.000 Einwohnern als die größte Plattenbausiedlung des Landes Brandenburg in die Geschichte einging. Am 9. November 1989, als ich nachts in meinem Schlafanzug aus meinem Zimmer tapste und ungläubig Richtung Fernseher blickte, weil meine Mutter rief: „Stephan! Die Mauer ist offen, sie haben die Grenze aufgemacht!“ war ich 10 Jahre alt. Ich brauchte noch weitere 10 Jahre, bis unumstößlich klar war, dass es in der Gegend, die ich bis dahin meine Heimat genannt habe, wirklich keine Zukunft für mich gab und meine Sachen packte. Ich wurde zum Grenzgänger, ohne dass es physische Grenzen gab. Dass was mal Heimat war, verschwand. Zuerst die Kultur, dann die Menschen, dann die Häuser, die Straßen und dann die Erinnerungen. Nun, weitere 20 Jahre und viele Umzüge später gehöre ich zu den Leuten, die nirgendwo hingehören. Im Westen bin ich der Ossi, im Osten der Wessi. Genau wie Ayşe, Yaris und Imani bin ich das was Rechtspopulisten abwertend passdeutsch nennen. Wir sind alle hier geboren, gehören aber nicht dazu. Aber auch in dieser Hinsicht habe ich Glück gehabt, denn als weißer Cis-Mann habe und hatte ich im Verhältnis zu anderen Menschen wenig Diskriminierung auszuhalten. Trotzdem wünsche ich allen Deutschen die Erfahrung von Cottbus in Brandenburg nach Argenbühl in Baden-Württemberg und von Freiburg im Breisgau nach Sachsen zu ziehen. Und es ist kaum zu glauben, wie oft die Frage: Ost oder West? gestellt wird, wenn man aus Berlin irgendwo hinzieht.
Schießbefehl
In den letzten 30 Jahren habe ich sehr oft darüber nachgedacht, wie mein Fazit zur Wende ist. Bis jetzt komme ich jedes Mal zu dem Ergebnis, das es nichts gibt oder gab, was eine undemokratische Einparteiendiktatur wie die DDR rechtfertigt. Für alle die zweifeln oder ein verklärtes Bild der DDR haben, nur ein Auszug aus dem Schießbefehl der Einsatzkompanie der Hauptabteilung I NVA und Grenztruppen des Ministeriums für Staatssicherheit: „Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schußwaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben.“ [3]Wikipedia: Schießbefehl
Kein Luxus & überall Propaganda
Zweifelsfrei gab es positive Aspekte in der DDR. Das Frauen und Männer nicht gleichberechtigt sind oder nur auf dem Papier, habe ich z. B. erst als erwachsener Mann verstanden. Es gab eine große gefühlte Sicherheit innerhalb des Systems. Eltern mussten sich niemals sorgen um Ihre Kinder machen. Ich bin mit fünf Jahren, in einer Großstadt, allein in den Kindergarten gegangen. In die Schule ist man ab dem ersten Tag allein gegangen. Man musste sich keine Gedanken um das Gesundheitssystem, Versicherungen, den Arbeitsplatz oder die Rente machen. Es gab keine sichtbare Kriminalität. Wenn man wollte, wurden die Kinder in allen Ferien im Hort betreut, nach der Schule gab es jeden Tag Sport, Musik oder irgendwelchen Arbeitsgemeinschaften an denen man einfach teilnehmen konnte. Außer Fragen oder einer Erlaubnis der Eltern kostete es nichts. Es gab sehr engen Kontakt zu den Mitmenschen und Nachbarn. Ich kenne heute noch viele der Namen aus dem Hochhaus, in dem ich gewohnt habe, weil ich die Menschen und Familien kannte. Ich musste nie hungern und es gab für mich genug Süßigkeiten, Eis und Brause, Spielzeug und Kleidung. Es gab keinen Luxus oder eine große Produktvielfalt, aber wenn man das nicht kennt, dann vermisst man das auch nicht. Es hatten nicht alle alles, aber man kannte immer jemanden der etwas hatte. Kinder wussten, wer welche Spielsachen hatte und dann ging man zum Spielen eben hin und Erwachsene wussten, wer welche Werkzeuge hatte und liehen sie sich aus und halfen einander. Ich möchte das nicht in Kategorien wie falsch oder richtig einordnen, weil alles einen Grund und einen Ursprung hat. Dafür wurde uns jeden Tag und überall Propaganda in die Gehirne gesprochen und die Reisefreiheit extrem eingeschränkt. So war die Situation und für manche Menschen war das so in Ordnung.
Drei Unfälle
Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich etwas übermütig einen kleinen Lastwagen mit Kippvorrichtung (W50 Kipper) rennend vor mir auf der Straße schob und dann die Kipplade kippte. Ich flexte mit meinem Gesicht über den Asphalt. Bevor ich mich überhaupt sammeln konnte, pflückte mich eine Frau von der Straße und fing an mich zu versorgen. Wenige Minuten später saß ich mit meiner Mutter in irgendeinem Auto eines Nachbarn und es ging in die Poliklinik. Und dort wurden meine Schürfwunden mit irgendwas wie Bautzener Senf bestrichen und der Arzt machte Späßchen mit mir. Zu Hause angekommen, stand der LKW vor der Wohnungstür und alles war gut.
Im letzten Jahr lief ein Bauarbeiter unachtsam auf einen Radweg, ich wich aus und prallte gegen einen Lichtmast. Ich hatte ein Schädelhirntrauma und mir lief Blut aus dem Ohr. Auf die Bitte mir zu helfen, antwortete der Bauarbeiter nur „selbst schuld“ und ging seiner Arbeit nach. Ich schleppte mich zur nahegelegenen Arztpraxis, dort wurde ich in einen Krankenwagen verladen, ein Sanitäter schloss mein Fahrrad neben der Arztpraxis an und ich wurde in die Uniklinik gefahren. Als ich nach drei Tagen mein Fahrrad holen wollte war es gestohlen.
In einer politischen Talkshow äußerte ein Journalist im Jahr 2020 die Frage: „Wer 1988 in Bitterfeld gelebt hat oder in Karl Marx Stadt, was kann der jetzt eigentlich ganz genau vermissen, an dieser Zeit? Außer vielleicht seine Jugend.“ [4]28.09.2020, ARD, Hart aber fair, Thema: Wir Ostdeutsche, wir Westdeutsche: Wie groß ist die Kluft wirklich? Min: 4:40; Nikolaus Blome, Ressortleiter Politik und Gesellschaft in der Zentralredaktion … Continue reading Vielleicht findet sich in diesem oder im Abschnitt Kein Luxus & überall Propaganda eine Antwort. Journalistische Inkompetenz ist glücklicherweise keine Straftat, das müssen wir in einer Demokratie aushalten. Die indirekte Unterstellung, die mit einer wie der oben genannten Fragen einhergeht, dass Menschen die positive Assoziationen mit der DDR haben, die Umweltverschmutzung, die Grenzen, die Mangelwirtschaft, die Morde, Menschenrechtsverletzungen und die Staatssicherheit zurück haben möchten, halte ich im 30. Jahr der Einheit für sehr unangemessen.
Die Gegenwart
Bei meiner Arbeit und dabei meine ich sowohl die künstlerische, als auch die nicht künstlerische Arbeit, stoße ich immer häufiger auf Situationen die mich an die Wende, die DDR oder deren Aufarbeitung erinnern.
Seit der Einheit wird bis heute den Ostdeutschen eine gewisse Unflexibilität, Jammerei und Opferhaltung zugeschrieben. Mir ist aufgefallen, dass das Verhältnis von Menschen die Veränderungen positiv gegenüberstehen und Menschen, die lieber alles so lange wie möglich Bewahren wollen, ähnlich verteilt ist. Egal in welchem Teil von Deutschland. Ich habe Veränderungen in Unternehmen im Osten, im Westen, im Süden und im Norden begleitet und die Menschen die zetern, jammern, blockieren und an denen rationale Argumente abprallen sind überall. Wenn in ein paar Jahren die Unternehmen der Mobilitätsbranche, die auf fossilen Verbrennern basiert, geschlossen werden, werden Leute auf die Straße gehen. Wenn Atom- und Braunkohlekraftwerke abgestellt werden, dann werden Leute auf die Straße gehen. Wenn Fabriken der tierverarbeitenden Industrie geschlossen werden, dann werden Leute auf die Straße gehen. Sie alle wiederholen mantraartig Sätze wie: Das ging doch unser ganzes Leben lang gut. Warum sollte das alles auf einmal schlecht sein? Und das sind dann genau dieselben Menschen, die sich über die Ostdeutschen erhoben haben, als diese mit genau diesen Sätzen gegen die Schließung ihrer Betriebe protestiert haben. Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Grotesk, dass es sich hierbei um ein Karl Marx Zitat handelt.
Die drei Gewalten verselbstständigen sich
Große Sorgen macht mir das Prinzip der Gewaltenteilung oder vielmehr die drei Gewalten die sich verselbstständigen. Die gesetzgebende Gewalt lässt sich immer weniger kontrollieren und obwohl es mehr Transparenzwerkzeuge gibt, werden immer neue Methoden entwickelt, um sich der Transparenz zu entziehen. Unbequeme Daten können aus Datenschutzgründen nicht herausgegeben werden, gehen verloren oder werden aus Versehen gelöscht. Die Recht sprechende Gewalt interpretiert Gesetze unverständlich oder es entsteht der Eindruck, es handle sich um Empfehlungen. Der Ausgang von Klagen kann durch den Ort beeinflusst werden, an dem die Klagen eingereicht werden. Es herrscht verwirrende Intransparenz. Beschlüsse zur Telekommunikationsüberwachung werden jahrelang einfach durchgewunken und das Recht auf Akteneinsicht wird offenbar gewürfelt. Das Recht etwas mit dem Gericht zu tun hat, in dem es gesprochen werden soll, fühlt sich langsam so an wie das Demokratische in Deutsche Demokratische Republik. Und die vollziehende Gewalt? Es vergeht kein Monat ohne das es Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Polizei und Rechtsextremismus gibt. PolizistInnen machen Falschaussagen und wenn sie erwischt werden brechen sie vor Gericht zusammen. Mitarbeitende greifen auf Daten von Bürgerinnen und Bürgern ohne Anlass zu, Kennzeichen werden ohne Anlass auf Autobahnen gescannt und gespeichert, nur durch Zufall kommen die Informationen an die Öffentlichkeit. Man hat nicht den Eindruck, dass Kontrollinstanzen funktionieren, Kennzeichnungs- oder Begründungspflichten werden abgelehnt.
Geschichtsvergessenheit
Wir hatten in Deutschland schon zwei Mal Personenkennziffern, die Reichspersonalnummer aus der Zeit des Nationalsozialismus und die Personenkennzahl in der DDR. In beiden Fällen hat es sich als sehr schlechte Idee herausgestellt, Menschen mit einer eindeutigen Kennziffer identifizierbar zu machen. Das Missbrauchspotenzial ist in mehreren Dimensionen unangemessen hoch. Nun wurden Pläne bekannt, die Steuer-ID zukünftig als zentrale Kennziffer auszubauen. Haben wir nichts gelernt?
Es gibt schon genug blinde Flecken in der Geschichte seit der Einheit. Beispielsweise der Tod des Vorsitzenden der Treuhandanstalt Detlev Karsten Rohwedder, die Informationen die die Rote Fini mit ins Grab genommen hat, die Verstrickungen der Kommerziellen Koordinierung, das verschwundene SED-Vermögen, die fehlenden Mikrofilmteile der Rosenholz-Dateien, die unglaublichen Ermittlungspannen im Zusammenhang mit dem NSU, die Berater-Affäre in der Bundeswehr oder die Intransparenz im Zusammenhang mit der PKW-Maut. Ziel muss es sein die blinden Flecken aufzuarbeiten ohne das neue dazukommen.
Fazit
Mein Fazit zum 30. Tag der Deutschen Einheit ist, dass wir mehr und besser auf unsere Demokratie aufpassen müssen als jemals zuvor.
Das Foto
Das Foto ist ein bearbeiteter HiRes Scan eines Diapositivs meines Großvaters Horst Wiesenberg. Es zeigt meine Mutter Bärbel und meine Goßmutter Helga vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Es ist vermutlich 1969 entstanden. Das Foto ist aus Richtung Osten aufgenommen. Rechts und links über den zwei flankierenden Flügelbauten sieht man die roten Arbeiterfahnen. Gut zu sehen ist die veränderte Quadriga. An den Streitwagen wurde ein Flaggenmast montiert an dem die Fahne der DDR befestigt ist. Weiterhin hat die Victoria nur den Stab mit dem leeren Kranz in der Hand, weil das Eiserne Kreuz herausgelötet und der darauf sitzende Preußenadler entfernt wurden. Hinter dem Brandenburger Tor ist der Verlauf der Mauer und somit die Grenze nach West-Berlin zu erkennen. Der Pariser Platz ist komplett unbebaut, da die nach dem Krieg verbliebenen Gebäude abgerissen wurden.
Verweise / References
↑1 | Wikipedia: Einigungsvertrag |
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↑2 | 28.09.20, Min: 47:45 Helga Förster in Wir Ostdeutsche – 30 Jahre im vereinten Land |
↑3 | Wikipedia: Schießbefehl |
↑4 | 28.09.2020, ARD, Hart aber fair, Thema: Wir Ostdeutsche, wir Westdeutsche: Wie groß ist die Kluft wirklich? Min: 4:40; Nikolaus Blome, Ressortleiter Politik und Gesellschaft in der Zentralredaktion der Mediengruppe RTL Deutschland und Online-Kolumnist beim Magazin Der Spiegel. |
Auch ein schöner Text, hinter dem W50 in mörderischem Tempo herzurennen und um die Hausecken zu flitzen war definitiv ein Highlight der Kindheit.
Ich fürchte, dank unseres behüteten Lebens glauben wir in Deutschland, dass das schon alles so weitergeht: Wir verkennen, dass wir unser Leben ausschliesslich unseren Eltern zu verdanken haben und die wiederum ihren Eltern. Generationen haben gekämpft, gedarbt dass wir stehen wo wir stehen. Es wurde nichts verschenkt, es wurde alles mit Blut und Schweiss und Tränen erarbeitet. Das ist unvorstellbar für jemanden der nie Blut gesehen hat, dem immer alles geschenkt wurde.
Ich mache unserer Jugend keinen Vorwurf, dass sie das nicht erkennt wie gefährlich die Welt ist und naiv glaubt dass Hunger, Krieg, Elend die Ausnahme wären und leicht zu überwinden, wenn man nur stark genug ihr Ende fordert. Und nicht das Gegenteil, dass nämlich unsere Insel des Wohlstands die Ausnahme ist und an allen Ecken und Enden bröckelt.
Und es ist auch eine sehr unangenehme Sicht auf die Welt, man will das eigentlich nicht wahrhaben, es wäre viel schöner zu glauben dass das ein freies, faires Zusammenleben, die behütete eigene Jugend den Normalzustand darstellt, während das unfreie, kriegerische, hungernde Zusammenleben eher die Ausnahme sei.
Da will man doch dran glauben! Deswegen ist die Bibel mit dem versprochenen Paradies genauso so erfolgreich wie jugendliche Prophet[inn]en mit ihren Heilsversprechungen.
Die friedliche Revolution 89 war ein Glücksfall. Es hätte auch anders kommen können, in Sarajevo kann man noch die Granateinschläge sehen. Gerade jetzt in Armenien haben die Leute auch Kühlschränke und Fernseher und ein normales Leben und plötzlich gehen die Raketen im Wohnviertel runter.
Das hat keiner gewollt oder erwartet und machtlos sind sie trotzdem alle. Lösung der Jugend? Flüchten. In den Westen. Wie 89, wie immer.
Ich fürchte aber das ist alles Illusion und Utopie. Es gibt keine Garantie, kein Menschenrecht darauf. Niemand hat ein Geburtsrecht darauf in einem Rechtsstaat oder auch nur frei oder ohne Hunger zu leben. Aber wo der eine dadurch ermutigt wird die Grenzen zu öffnen allen Menschen zu helfen sieht der andere die Gefahr dass durch die Öffnung alles erst recht untergeht. Weil niemand mehr für Wohlstand kämpft außer der Einbrecher der die 90jährige Oma niederschlägt und beraubt.
Lösung? Ich sehe keine. Vielleicht auf die Alten hören, die haben immerhin ein paar Jahrzehnte Lebenserfahrung. Und die alten Schriften lesen von Menschen die das gesammelte Wissen von Generationen in harter Arbeit zusammentragen. Aber hoppala, ausgerechnet die Alten sind jetzt das Feindbild der Jugend. Der Feind ist die eigene Familie, auf Twitter wird über das Schlachtfeld „Weihnachten und Familienzusammenkünfte“ ausgerufen. Super. Ich seh schwarz.
Danke für den schönen Text. Ja, die ständig wiederholende Geschichte. Bevor die neuzeitlichen Menschen einen Nachnamen hatten, hatten sie eine Nummer, eine Hausnummer. Seelenkonskription nannten sie das damals (https://othes.univie.ac.at/28/ und http://othes.univie.ac.at/28/1/tantner_diss.pdf). Und am Ende starrt der Engel der Geschichte auf immer schneller wachsende Trümmerberge: „Those who ran the Soviet Union had believed they could plan and manage a new kind of socialist society. But, they had discovered that it was impossible to control and predict everything, and the plan ran out of control. Rather than reveal this, the technocrats began to pretend that everything was still going according to plan. And what emerged instead was a fake version of the society. The Soviet Union became a society where everyone knew what their leaders said was not real, because they would see with their own eyes that the economy was falling apart. But, everybody had to play along and pretend that it was real, because no one could imagine any alternative. One Soviet writer called this hypernormalisation. You were so much a part of the system that it was impossible to see beyond it.(Adam Curtis, Hypernotmalisation 2016; ab 22m40s:
) Ich wünsche mir, dass der Richter wieder „la bouche de la loi“(Montesquieu) wird, Rechtssicherheit für die ganze Republik, auch für mich in Bayern. Diesen Zweig der Rechtsverständnissses gab’s mal hier, ausgerechnet zuletzt in der DDR, nachzulesen in: Inga Markovits: Gerechtigkeit in Lüritz: Eine ostdeutsche Rechtsgeschichte (https://b‑ok.cc/book/5492443/e61611). Die Spitzen der bundesdeutschen Justiz in oberen Gerichten kommen samt und sonders aus alten Familien. Die sogenannte Bestenauslese der bundesdeutschen Juristen steht doch nur auf dem Papier, denn dieses völlig intransparente Kooptationsverfahren (Stalin: Ich meine, daß es völlig unwichtig ist, wer und wie man in der Partei abstimmen wird; überaus wichtig ist nur das eine, nämlich wer und wie man die Stimmen zählt) nutzen nur den Nachkommen der Nomenklatur; sieht man an solchen illustren Gestalten wie Holger-Ludwig Pfahls (https://twitter.com/LCueilleur/status/1301126566764785664)