Nüchtern am Tag der Deutschen Einheit

Vor 30 Jah­ren wur­de der Eini­gungs­ver­trag unter­schrie­ben. In die­sem wur­de die Auf­lö­sung der DDR, ihr Bei­tritt zur Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und die deut­sche Ein­heit beschlos­sen. In der DDR Volks­kam­mer stimm­ten 73 % und im Bun­des­tag 89 % der Abge­ord­ne­ten für die Unter­zeich­nung des Ver­tra­ges. [1]Wiki­pe­dia: Eini­gungs­ver­trag

Wir waren immer perfekt

Die­ses Jubi­lä­um führt und führ­te zu einem erhöh­ten auf­kom­men von Doku­men­ta­tio­nen, Fil­men, Inter­views, Bil­dern und Tex­ten in den Medi­en. Und wie schon in der Ver­gan­gen­heit oft bemerkt, fällt auf: Geschich­te hängt maß­geb­lich davon ab wer sie erzählt oder wer sie viel­leicht auch nicht erzählt. Es ist rich­tig, dass in Doku­men­ta­tio­nen viel­leicht Zeit­zeu­gen gehört wer­den, aber die Geschich­te wird vom Schnitt­raum und der Regie erzählt. Auch bei Doku­men­ta­tio­nen aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich muss man genau recher­chie­ren, wer da in die Kame­ra spricht und war­um. Steht jeman­dem der beim Fall der Mau­er zwei Jah­re alt war, die Aus­sa­ge zu, etwas in der DDR gelernt zu haben und Wer­te dar­aus mit­bringt? War­um bekom­men Per­so­nen die genau am 3. Okto­ber 1990 gebo­ren sind eine Büh­ne in einer Doku­men­ta­ti­on „Wir Ost­deut­sche“? Und ist das Schick­sal der Lei­te­rin der Konsum-Drogerie am Markt­platz wirk­lich so tra­gisch? „Wir waren eine super Konsum-Drogerie mit guten Ange­stell­ten, wir waren immer per­fekt, wir waren beliebt im gan­zen Umfeld.“ [2]28.09.20, Min: 47:45 Hel­ga Förs­ter in Wir Ost­deut­sche – 30 Jah­re im ver­ein­ten Land Wo sind die Leu­te, die in der Konsum-Drogerie ein­ge­kauft haben? Wo sind die ganz durch­schnitt­li­chen Mit­ar­bei­ten­den vom VEB ABC und der LPG XYZ, die jeden Tag zur Arbeit gegan­gen sind und am Nach­mit­tag an der Kauf­hal­le vor­bei wie­der nach Hau­se? Wo sind die, die kei­ne beson­de­ren Lebens­we­ge hat­ten? Wo sind Leu­te wie die Kin­der von Golz­ow? Oder Men­schen die in Cott­bus im Zucht­haus oder in Bauz­ten II inhaf­tiert waren? Wo sind die, die etwas mit dem Staat zu tun hat­ten oder mit einem der 8.000 von der Treu­hand abge­wi­ckel­ten Betrie­be? Die Leu­te mit den ost­deut­schen Vor­zei­ge­le­bens­läu­fen in den Dokus, hat­ten alle – auch mit Pri­vat­in­sol­venz – mehr oder weni­ger Glück. So wie ich.

Passdeutsch

Ich bin an einem Ort auf­ge­wach­sen, der in den 1980er Jah­ren mit 12.000 Woh­nun­gen und fast 35.000 Ein­woh­nern als die größ­te Plat­ten­bau­sied­lung des Lan­des Bran­den­burg in die Geschich­te ein­ging. Am 9. Novem­ber 1989, als ich nachts in mei­nem Schlaf­an­zug aus mei­nem Zim­mer taps­te und ungläu­big Rich­tung Fern­se­her blick­te, weil mei­ne Mut­ter rief: „Ste­phan! Die Mau­er ist offen, sie haben die Gren­ze auf­ge­macht!“ war ich 10 Jah­re alt. Ich brauch­te noch wei­te­re 10 Jah­re, bis unum­stöß­lich klar war, dass es in der Gegend, die ich bis dahin mei­ne Hei­mat genannt habe, wirk­lich kei­ne Zukunft für mich gab und mei­ne Sachen pack­te. Ich wur­de zum Grenz­gän­ger, ohne dass es phy­si­sche Gren­zen gab. Dass was mal Hei­mat war, ver­schwand. Zuerst die Kul­tur, dann die Men­schen, dann die Häu­ser, die Stra­ßen und dann die Erin­ne­run­gen. Nun, wei­te­re 20 Jah­re und vie­le Umzü­ge spä­ter gehö­re ich zu den Leu­ten, die nir­gend­wo hin­ge­hö­ren. Im Wes­ten bin ich der Ossi, im Osten der Wes­si. Genau wie Ayşe, Yaris und Ima­ni bin ich das was Rechts­po­pu­lis­ten abwer­tend pass­deutsch nen­nen. Wir sind alle hier gebo­ren, gehö­ren aber nicht dazu. Aber auch in die­ser Hin­sicht habe ich Glück gehabt, denn als wei­ßer Cis-Mann habe und hat­te ich im Ver­hält­nis zu ande­ren Men­schen wenig Dis­kri­mi­nie­rung aus­zu­hal­ten. Trotz­dem wün­sche ich allen Deut­schen die Erfah­rung von Cott­bus in Bran­den­burg nach Argen­bühl in Baden-Württemberg und von Frei­burg im Breis­gau nach Sach­sen zu zie­hen. Und es ist kaum zu glau­ben, wie oft die Fra­ge: Ost oder West? gestellt wird, wenn man aus Ber­lin irgend­wo hinzieht.

Schießbefehl

In den letz­ten 30 Jah­ren habe ich sehr oft dar­über nach­ge­dacht, wie mein Fazit zur Wen­de ist. Bis jetzt kom­me ich jedes Mal zu dem Ergeb­nis, das es nichts gibt oder gab, was eine unde­mo­kra­ti­sche Ein­par­tei­en­dik­ta­tur wie die DDR recht­fer­tigt. Für alle die zwei­feln oder ein ver­klär­tes Bild der DDR haben, nur ein Aus­zug aus dem Schieß­be­fehl der Ein­satz­kom­pa­nie der Haupt­ab­tei­lung I NVA und Grenz­trup­pen des Minis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit: „Zögern Sie nicht mit der Anwen­dung der Schuß­waf­fe, auch dann nicht, wenn die Grenz­durch­brü­che mit Frau­en und Kin­dern erfol­gen, was sich die Ver­rä­ter schon oft zunut­ze gemacht haben.“ [3]Wiki­pe­dia: Schieß­be­fehl

Kein Luxus & überall Propaganda

Zwei­fels­frei gab es posi­ti­ve Aspek­te in der DDR. Das Frau­en und Män­ner nicht gleich­be­rech­tigt sind oder nur auf dem Papier, habe ich z. B. erst als erwach­se­ner Mann ver­stan­den. Es gab eine gro­ße gefühl­te Sicher­heit inner­halb des Sys­tems. Eltern muss­ten sich nie­mals sor­gen um Ihre Kin­der machen. Ich bin mit fünf Jah­ren, in einer Groß­stadt, allein in den Kin­der­gar­ten gegan­gen. In die Schu­le ist man ab dem ers­ten Tag allein gegan­gen. Man muss­te sich kei­ne Gedan­ken um das Gesund­heits­sys­tem, Ver­si­che­run­gen, den Arbeits­platz oder die Ren­te machen. Es gab kei­ne sicht­ba­re Kri­mi­na­li­tät. Wenn man woll­te, wur­den die Kin­der in allen Feri­en im Hort betreut, nach der Schu­le gab es jeden Tag Sport, Musik oder irgend­wel­chen Arbeits­ge­mein­schaf­ten an denen man ein­fach teil­neh­men konn­te. Außer Fra­gen oder einer Erlaub­nis der Eltern kos­te­te es nichts. Es gab sehr engen Kon­takt zu den Mit­men­schen und Nach­barn. Ich ken­ne heu­te noch vie­le der Namen aus dem Hoch­haus, in dem ich gewohnt habe, weil ich die Men­schen und Fami­li­en kann­te. Ich muss­te nie hun­gern und es gab für mich genug Süßig­kei­ten, Eis und Brau­se, Spiel­zeug und Klei­dung. Es gab kei­nen Luxus oder eine gro­ße Pro­dukt­viel­falt, aber wenn man das nicht kennt, dann ver­misst man das auch nicht. Es hat­ten nicht alle alles, aber man kann­te immer jeman­den der etwas hat­te. Kin­der wuss­ten, wer wel­che Spiel­sa­chen hat­te und dann ging man zum Spie­len eben hin und Erwach­se­ne wuss­ten, wer wel­che Werk­zeu­ge hat­te und lie­hen sie sich aus und hal­fen ein­an­der. Ich möch­te das nicht in Kate­go­rien wie falsch oder rich­tig ein­ord­nen, weil alles einen Grund und einen Ursprung hat. Dafür wur­de uns jeden Tag und über­all Pro­pa­gan­da in die Gehir­ne gespro­chen und die Rei­se­frei­heit extrem ein­ge­schränkt. So war die Situa­ti­on und für man­che Men­schen war das so in Ordnung.

Drei Unfälle

Ich kann mich noch gut erin­nern, dass ich etwas über­mü­tig einen klei­nen Last­wa­gen mit Kipp­vor­rich­tung (W50 Kip­per) ren­nend vor mir auf der Stra­ße schob und dann die Kipp­la­de kipp­te. Ich flex­te mit mei­nem Gesicht über den Asphalt. Bevor ich mich über­haupt sam­meln konn­te, pflück­te mich eine Frau von der Stra­ße und fing an mich zu ver­sor­gen. Weni­ge Minu­ten spä­ter saß ich mit mei­ner Mut­ter in irgend­ei­nem Auto eines Nach­barn und es ging in die Poli­kli­nik. Und dort wur­den mei­ne Schürf­wun­den mit irgend­was wie Bautz­e­ner Senf bestri­chen und der Arzt mach­te Späß­chen mit mir. Zu Hau­se ange­kom­men, stand der LKW vor der Woh­nungs­tür und alles war gut.

Im letz­ten Jahr lief ein Bau­ar­bei­ter unacht­sam auf einen Rad­weg, ich wich aus und prall­te gegen einen Licht­mast. Ich hat­te ein Schä­del­hirn­trau­ma und mir lief Blut aus dem Ohr. Auf die Bit­te mir zu hel­fen, ant­wor­te­te der Bau­ar­bei­ter nur „selbst schuld“ und ging sei­ner Arbeit nach. Ich schlepp­te mich zur nahe­ge­le­ge­nen Arzt­pra­xis, dort wur­de ich in einen Kran­ken­wa­gen ver­la­den, ein Sani­tä­ter schloss mein Fahr­rad neben der Arzt­pra­xis an und ich wur­de in die Uni­kli­nik gefah­ren. Als ich nach drei Tagen mein Fahr­rad holen woll­te war es gestohlen.

In einer poli­ti­schen Talk­show äußer­te ein Jour­na­list im Jahr 2020 die Fra­ge: „Wer 1988 in Bit­ter­feld gelebt hat oder in Karl Marx Stadt, was kann der jetzt eigent­lich ganz genau ver­mis­sen, an die­ser Zeit? Außer viel­leicht sei­ne Jugend.“ [4]28.09.2020, ARD, Hart aber fair, The­ma: Wir Ost­deut­sche, wir West­deut­sche: Wie groß ist die Kluft wirk­lich? Min: 4:40; Niko­laus Blo­me, Res­sort­lei­ter Poli­tik und Gesell­schaft in der Zen­tral­re­dak­ti­on … Con­ti­nue rea­ding Viel­leicht fin­det sich in die­sem oder im Abschnitt Kein Luxus & über­all Pro­pa­gan­da eine Ant­wort. Jour­na­lis­ti­sche Inkom­pe­tenz ist glück­li­cher­wei­se kei­ne Straf­tat, das müs­sen wir in einer Demo­kra­tie aus­hal­ten. Die indi­rek­te Unter­stel­lung, die mit einer wie der oben genann­ten Fra­gen ein­her­geht, dass Men­schen die posi­ti­ve Asso­zia­tio­nen mit der DDR haben, die Umwelt­ver­schmut­zung, die Gren­zen, die Man­gel­wirt­schaft, die Mor­de, Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und die Staats­si­cher­heit zurück haben möch­ten, hal­te ich im 30. Jahr der Ein­heit für sehr unangemessen.

Die Gegenwart

Bei mei­ner Arbeit und dabei mei­ne ich sowohl die künst­le­ri­sche, als auch die nicht künst­le­ri­sche Arbeit, sto­ße ich immer häu­fi­ger auf Situa­tio­nen die mich an die Wen­de, die DDR oder deren Auf­ar­bei­tung erinnern.

Seit der Ein­heit wird bis heu­te den Ost­deut­schen eine gewis­se Unfle­xi­bi­li­tät, Jam­me­rei und Opfer­hal­tung zuge­schrie­ben. Mir ist auf­ge­fal­len, dass das Ver­hält­nis von Men­schen die Ver­än­de­run­gen posi­tiv gegen­über­ste­hen und Men­schen, die lie­ber alles so lan­ge wie mög­lich Bewah­ren wol­len, ähn­lich ver­teilt ist. Egal in wel­chem Teil von Deutsch­land. Ich habe Ver­än­de­run­gen in Unter­neh­men im Osten, im Wes­ten, im Süden und im Nor­den beglei­tet und die Men­schen die zetern, jam­mern, blo­ckie­ren und an denen ratio­na­le Argu­men­te abpral­len sind über­all. Wenn in ein paar Jah­ren die Unter­neh­men der Mobi­li­täts­bran­che, die auf fos­si­len Ver­bren­nern basiert, geschlos­sen wer­den, wer­den Leu­te auf die Stra­ße gehen. Wenn Atom- und Braun­koh­le­kraft­wer­ke abge­stellt wer­den, dann wer­den Leu­te auf die Stra­ße gehen. Wenn Fabri­ken der tier­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie geschlos­sen wer­den, dann wer­den Leu­te auf die Stra­ße gehen. Sie alle wie­der­ho­len man­tra­ar­tig Sät­ze wie: Das ging doch unser gan­zes Leben lang gut. War­um soll­te das alles auf ein­mal schlecht sein? Und das sind dann genau die­sel­ben Men­schen, die sich über die Ost­deut­schen erho­ben haben, als die­se mit genau die­sen Sät­zen gegen die Schlie­ßung ihrer Betrie­be pro­tes­tiert haben. Die Geschich­te wie­der­holt sich immer zwei­mal – das ers­te Mal als Tra­gö­die, das zwei­te Mal als Far­ce. Gro­tesk, dass es sich hier­bei um ein Karl Marx Zitat handelt.

Die drei Gewalten verselbstständigen sich

Gro­ße Sor­gen macht mir das Prin­zip der Gewal­ten­tei­lung oder viel­mehr die drei Gewal­ten die sich ver­selbst­stän­di­gen. Die gesetz­ge­ben­de Gewalt lässt sich immer weni­ger kon­trol­lie­ren und obwohl es mehr Trans­pa­renz­werk­zeu­ge gibt, wer­den immer neue Metho­den ent­wi­ckelt, um sich der Trans­pa­renz zu ent­zie­hen. Unbe­que­me Daten kön­nen aus Daten­schutz­grün­den nicht her­aus­ge­ge­ben wer­den, gehen ver­lo­ren oder wer­den aus Ver­se­hen gelöscht. Die Recht spre­chen­de Gewalt inter­pre­tiert Geset­ze unver­ständ­lich oder es ent­steht der Ein­druck, es hand­le sich um Emp­feh­lun­gen. Der Aus­gang von Kla­gen kann durch den Ort beein­flusst wer­den, an dem die Kla­gen ein­ge­reicht wer­den. Es herrscht ver­wir­ren­de Intrans­pa­renz. Beschlüs­se zur Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung wer­den jah­re­lang ein­fach durch­ge­wun­ken und das Recht auf Akten­ein­sicht wird offen­bar gewür­felt. Das Recht etwas mit dem Gericht zu tun hat, in dem es gespro­chen wer­den soll, fühlt sich lang­sam so an wie das Demo­kra­ti­sche in Deut­sche Demo­kra­ti­sche Repu­blik. Und die voll­zie­hen­de Gewalt? Es ver­geht kein Monat ohne das es Auf­fäl­lig­kei­ten im Zusam­men­hang mit Poli­zei und Rechts­extre­mis­mus gibt. Poli­zis­tIn­nen machen Falsch­aus­sa­gen und wenn sie erwischt wer­den bre­chen sie vor Gericht zusam­men. Mit­ar­bei­ten­de grei­fen auf Daten von Bür­ge­rin­nen und Bür­gern ohne Anlass zu, Kenn­zei­chen wer­den ohne Anlass auf Auto­bah­nen gescannt und gespei­chert, nur durch Zufall kom­men die Infor­ma­tio­nen an die Öffent­lich­keit. Man hat nicht den Ein­druck, dass Kon­troll­in­stan­zen funk­tio­nie­ren, Kennzeichnungs- oder Begrün­dungs­pflich­ten wer­den abgelehnt.

Geschichtsvergessenheit

Wir hat­ten in Deutsch­land schon zwei Mal Per­so­nen­kenn­zif­fern, die Reichs­per­so­nal­num­mer aus der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus und die Per­so­nen­kenn­zahl in der DDR. In bei­den Fäl­len hat es sich als sehr schlech­te Idee her­aus­ge­stellt, Men­schen mit einer ein­deu­ti­gen Kenn­zif­fer iden­ti­fi­zier­bar zu machen. Das Miss­brauchs­po­ten­zi­al ist in meh­re­ren Dimen­sio­nen unan­ge­mes­sen hoch. Nun wur­den Plä­ne bekannt, die Steuer-ID zukünf­tig als zen­tra­le Kenn­zif­fer aus­zu­bau­en. Haben wir nichts gelernt?

Es gibt schon genug blin­de Fle­cken in der Geschich­te seit der Ein­heit. Bei­spiels­wei­se der Tod des Vor­sit­zen­den der Treu­hand­an­stalt Det­lev Kars­ten Roh­wed­der, die Infor­ma­tio­nen die die Rote Fini mit ins Grab genom­men hat, die Ver­stri­ckun­gen der Kom­mer­zi­el­len Koor­di­nie­rung, das ver­schwun­de­ne SED-Vermögen, die feh­len­den Mikro­film­tei­le der Rosenholz-Dateien, die unglaub­li­chen Ermitt­lungs­pan­nen im Zusam­men­hang mit dem NSU, die Berater-Affäre in der Bun­des­wehr oder die Intrans­pa­renz im Zusam­men­hang mit der PKW-Maut. Ziel muss es sein die blin­den Fle­cken auf­zu­ar­bei­ten ohne das neue dazukommen.

Fazit

Mein Fazit zum 30. Tag der Deut­schen Ein­heit ist, dass wir mehr und bes­ser auf unse­re Demo­kra­tie auf­pas­sen müs­sen als jemals zuvor.

Das Foto

Dia, Brandenburger Tor um 1969 (DDR Seite)

Das Foto ist ein bear­bei­te­ter HiRes Scan eines Dia­po­si­tivs mei­nes Groß­va­ters Horst Wie­sen­berg. Es zeigt mei­ne Mut­ter Bär­bel und mei­ne Goß­mutter Hel­ga vor dem Bran­den­bur­ger Tor in Ber­lin. Es ist ver­mut­lich 1969 ent­stan­den. Das Foto ist aus Rich­tung Osten auf­ge­nom­men. Rechts und links über den zwei flan­kie­ren­den Flü­gel­bau­ten sieht man die roten Arbei­ter­fah­nen. Gut zu sehen ist die ver­än­der­te Qua­dri­ga. An den Streit­wa­gen wur­de ein Flag­gen­mast mon­tiert an dem die Fah­ne der DDR befes­tigt ist. Wei­ter­hin hat die Vic­to­ria nur den Stab mit dem lee­ren Kranz in der Hand, weil das Eiser­ne Kreuz her­aus­ge­lö­tet und der dar­auf sit­zen­de Preu­ßen­ad­ler ent­fernt wur­den. Hin­ter dem Bran­den­bur­ger Tor ist der Ver­lauf der Mau­er und somit die Gren­ze nach West-Berlin zu erken­nen. Der Pari­ser Platz ist kom­plett unbe­baut, da die nach dem Krieg ver­blie­be­nen Gebäu­de abge­ris­sen wurden.

Ver­wei­se / Refe­ren­ces

Ver­wei­se / Refe­ren­ces
1 Wiki­pe­dia: Einigungsvertrag
2 28.09.20, Min: 47:45 Hel­ga Förs­ter in Wir Ost­deut­sche – 30 Jah­re im ver­ein­ten Land
3 Wiki­pe­dia: Schießbefehl
4 28.09.2020, ARD, Hart aber fair, The­ma: Wir Ost­deut­sche, wir West­deut­sche: Wie groß ist die Kluft wirk­lich? Min: 4:40; Niko­laus Blo­me, Res­sort­lei­ter Poli­tik und Gesell­schaft in der Zen­tral­re­dak­ti­on der Medi­en­grup­pe RTL Deutsch­land und Online-Kolumnist beim Maga­zin Der Spiegel.
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2 comments on “Nüchtern am Tag der Deutschen Einheit
  1. Peter sagt:

    Auch ein schö­ner Text, hin­ter dem W50 in mör­de­ri­schem Tem­po her­zu­ren­nen und um die Haus­ecken zu flit­zen war defi­ni­tiv ein High­light der Kindheit.

    Ich fürch­te, dank unse­res behü­te­ten Lebens glau­ben wir in Deutsch­land, dass das schon alles so wei­ter­geht: Wir ver­ken­nen, dass wir unser Leben aus­schliess­lich unse­ren Eltern zu ver­dan­ken haben und die wie­der­um ihren Eltern. Gene­ra­tio­nen haben gekämpft, gedarbt dass wir ste­hen wo wir ste­hen. Es wur­de nichts ver­schenkt, es wur­de alles mit Blut und Schweiss und Trä­nen erar­bei­tet. Das ist unvor­stell­bar für jeman­den der nie Blut gese­hen hat, dem immer alles geschenkt wurde.

    Ich mache unse­rer Jugend kei­nen Vor­wurf, dass sie das nicht erkennt wie gefähr­lich die Welt ist und naiv glaubt dass Hun­ger, Krieg, Elend die Aus­nah­me wären und leicht zu über­win­den, wenn man nur stark genug ihr Ende for­dert. Und nicht das Gegen­teil, dass näm­lich unse­re Insel des Wohl­stands die Aus­nah­me ist und an allen Ecken und Enden bröckelt.
    Und es ist auch eine sehr unan­ge­neh­me Sicht auf die Welt, man will das eigent­lich nicht wahr­ha­ben, es wäre viel schö­ner zu glau­ben dass das ein frei­es, fai­res Zusam­men­le­ben, die behü­te­te eige­ne Jugend den Nor­mal­zu­stand dar­stellt, wäh­rend das unfreie, krie­ge­ri­sche, hun­gern­de Zusam­men­le­ben eher die Aus­nah­me sei.
    Da will man doch dran glau­ben! Des­we­gen ist die Bibel mit dem ver­spro­che­nen Para­dies genau­so so erfolg­reich wie jugend­li­che Prophet[inn]en mit ihren Heilsversprechungen.

    Die fried­li­che Revo­lu­ti­on 89 war ein Glücks­fall. Es hät­te auch anders kom­men kön­nen, in Sara­je­vo kann man noch die Gra­nat­ein­schlä­ge sehen. Gera­de jetzt in Arme­ni­en haben die Leu­te auch Kühl­schrän­ke und Fern­se­her und ein nor­ma­les Leben und plötz­lich gehen die Rake­ten im Wohn­vier­tel runter.
    Das hat kei­ner gewollt oder erwar­tet und macht­los sind sie trotz­dem alle. Lösung der Jugend? Flüch­ten. In den Wes­ten. Wie 89, wie immer.

    Ich fürch­te aber das ist alles Illu­si­on und Uto­pie. Es gibt kei­ne Garan­tie, kein Men­schen­recht dar­auf. Nie­mand hat ein Geburts­recht dar­auf in einem Rechts­staat oder auch nur frei oder ohne Hun­ger zu leben. Aber wo der eine dadurch ermu­tigt wird die Gren­zen zu öff­nen allen Men­schen zu hel­fen sieht der ande­re die Gefahr dass durch die Öff­nung alles erst recht unter­geht. Weil nie­mand mehr für Wohl­stand kämpft außer der Ein­bre­cher der die 90jährige Oma nie­der­schlägt und beraubt.

    Lösung? Ich sehe kei­ne. Viel­leicht auf die Alten hören, die haben immer­hin ein paar Jahr­zehn­te Lebens­er­fah­rung. Und die alten Schrif­ten lesen von Men­schen die das gesam­mel­te Wis­sen von Gene­ra­tio­nen in har­ter Arbeit zusam­men­tra­gen. Aber hop­pa­la, aus­ge­rech­net die Alten sind jetzt das Feind­bild der Jugend. Der Feind ist die eige­ne Fami­lie, auf Twit­ter wird über das Schlacht­feld „Weih­nach­ten und Fami­li­en­zu­sam­men­künf­te“ aus­ge­ru­fen. Super. Ich seh schwarz.

  2. Josef K. sagt:

    Dan­ke für den schö­nen Text. Ja, die stän­dig wie­der­ho­len­de Geschich­te. Bevor die neu­zeit­li­chen Men­schen einen Nach­na­men hat­ten, hat­ten sie eine Num­mer, eine Haus­num­mer. See­len­kon­skrip­ti­on nann­ten sie das damals (https://​othes​.uni​vie​.ac​.at/​28/ und http://​othes​.uni​vie​.ac​.at/​2​8​/​1​/​t​a​n​t​n​e​r​_​d​i​s​s​.​pdf). Und am Ende starrt der Engel der Geschich­te auf immer schnel­ler wach­sen­de Trüm­mer­ber­ge: „Tho­se who ran the Soviet Uni­on had belie­ved they could plan and mana­ge a new kind of socia­list socie­ty. But, they had dis­co­ver­ed that it was impos­si­ble to con­trol and pre­dict ever­y­thing, and the plan ran out of con­trol. Rather than reve­al this, the tech­no­crats began to pre­tend that ever­y­thing was still going accor­ding to plan. And what emer­ged ins­tead was a fake ver­si­on of the socie­ty. The Soviet Uni­on beca­me a socie­ty whe­re ever­yo­ne knew what their lea­ders said was not real, becau­se they would see with their own eyes that the eco­no­my was fal­ling apart. But, ever­y­bo­dy had to play along and pre­tend that it was real, becau­se no one could ima­gi­ne any alter­na­ti­ve. One Soviet wri­ter cal­led this hyper­nor­ma­li­sa­ti­on. You were so much a part of the sys­tem that it was impos­si­ble to see bey­ond it.(Adam Cur­tis, Hyper­not­ma­li­sa­ti­on 2016; ab 22m40s:

    ) Ich wün­sche mir, dass der Rich­ter wie­der „la bou­che de la loi“(Montesquieu) wird, Rechts­si­cher­heit für die gan­ze Repu­blik, auch für mich in Bay­ern. Die­sen Zweig der Rechts­ver­ständ­niss­ses gab’s mal hier, aus­ge­rech­net zuletzt in der DDR, nach­zu­le­sen in: Inga Mar­ko­vits: Gerech­tig­keit in Lüritz: Eine ost­deut­sche Rechts­ge­schich­te (https://b‑ok.cc/book/5492443/e61611). Die Spit­zen der bun­des­deut­schen Jus­tiz in obe­ren Gerich­ten kom­men samt und son­ders aus alten Fami­li­en. Die soge­nann­te Besten­aus­le­se der bun­des­deut­schen Juris­ten steht doch nur auf dem Papier, denn die­ses völ­lig intrans­pa­ren­te Koopt­a­ti­ons­ver­fah­ren (Sta­lin: Ich mei­ne, daß es völ­lig unwich­tig ist, wer und wie man in der Par­tei abstim­men wird; über­aus wich­tig ist nur das eine, näm­lich wer und wie man die Stim­men zählt) nut­zen nur den Nach­kom­men der Nomen­kla­tur; sieht man an sol­chen illus­tren Gestal­ten wie Holger-Ludwig Pfahls (https://​twit​ter​.com/​L​C​u​e​i​l​l​e​u​r​/​s​t​a​t​u​s​/​1​3​0​1​1​2​6​5​6​6​7​6​4​7​8​5​664)

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