Die Kunst-Installation „Nur zu Ihrer Sicherheit.“ nähert sich dem Jahrestag. Am 26.12.2013 wurde sie erstmalig in Hamburg präsentiert, sechs Monate später in New York. Anlass, um darüber zu schreiben. Jeden Montag bis zum 26.12.2014. In der letzten Woche gab es das Vorwort.
Das Werk „Nur zu Ihrer Sicherheit.“ bietet viele Möglichkeiten der Interpretation. Schon bei der ersten Präsentation hat es eindrucksvoll bewiesen, das es zum Handeln auffordert, provoziert, sensibilisiert, zum Nachdenken anregt und für Gesprächs- und Diskussionsstoff sorgt. Die folgenden Kapitel sollen einen Einstieg in das Werk und mögliche Interpretationen bieten ohne Vollumfänglichkeit oder Abgeschlossenheit zu beanspruchen. Vielleicht lenken sie aber auch nur die Aufmerksamkeit in eine gewünschte Richtung und sollen Kunsthistoriker auf’s Glatteis führen? Schauen Sie, beobachten Sie, seien Sie wachsam! Immer!
Die Installation besteht aus fünf Teilen. Das zentrale Objekt ist ca. 1,30 m breit, 50 cm tief und 1,60 m hoch. Es besteht aus einem Podest aus alten Leiterplatten. Die Platinen sind aus meinem Fundus und wurden im Laufe der Jahre gesammelt. Im Wesentlichen alte Hauptplatinen aus Arbeits-PCs und Servern. Bei genauem Hinsehen entdeckt der fachkundige Betrachter auch Platinen aus einem Amiga 500, einem Atari ST sowie diverse Teile aus Steuerungs- und Automatisierungsanlagen. Relikte die im engen Zusammenhang mit meinem Lebenslauf zwischen dem 12. und 22. Lebensjahr stehen. Die Zeit der Pubertät und den ersten Erfolgen, eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein gut bezahlter Job als Anlagenwärter in einem Kraftwerk. Ein verschlüsseltes Zitat und zugleich ein Fan-Bekenntniss an Martin Kippenberger, dessen Veranstaltungsreigen inklusive erster großer Ausstellung sowie dazugehörigem Buch „Durch die Pubertät zum Erfolg.“ [1] Vgl. Kippenberger, S., Kippenberger: Der Künstler und seine Familien, 2010, ebook S. 206. hieß bevor er sich mit dem Satz „Entweder ich geh jetzt in die Irrenanstalt oder in den Schwarzwald.“ [2] Ebenda. S. 211 aus Berlin in den Süden Deutschlands verabschiedete und nach Stuttgart fand.
Ob nun durch die Pubertät hindurch oder eben wegen des Pubertierens zum Erfolg gemeint ist, bleibt an dieser Stelle offen. Tatsache ist, dass während meiner Berufsausbildung die ersten zwei abstrakten Mini-Skulpturen aus Metallresten sowie mit Leuchtdioden dekorierte Lichttaster entstanden, die von mir auch als Kunst bezeichnet worden sind. Aus heutiger Sicht ist hier der Erfolgsbegriff das Entscheidende. Damals war mit „Erfolg“ die Ausbildung und der Job gemeint, heute jedoch die Handlung, aus Metallresten bzw. dem gelernten Wissen Kunst zu kreieren. Zwar ohne direktes Bewusstsein dessen, aber es waren aus meiner Sicht die ersten inneren Impulse Kunst zu schaffen, ohne dass es von Außen irgendwelche Beeinflussung gab. Die Kunst, intrinsisch aufgetaucht bildete ab 1995 das Fundament für meine weitere Entwicklung, denn „Intrinsische Eigenschaften gehören zum Gegenstand selbst und machen ihn zu dem, was er ist. Sie sind äußerlich nicht beobachtbar und mithin äußerlich versteckt. Intrinsische Handlungen […] sind eigenbestimmt und brauchen deshalb keine Anstöße von außen.“ [3] Wikipedia, Die freie Enzyklopädie: Intrinsisch. http://de.wikipedia.org/wiki/Intrinsisch, 24.11.2014 Durch die Pubertät zum Erfolg, auch wenn bis zur künstlerischen Bewusstwerdung noch einige Jahre vergehen und viele Hindernisse passiert werden sollten, war dies der Anfang. Seit 2013 steht durch eine geradezu zwangsläufig gereifte Erkenntnis fest, dass für mich nicht nur geschaffene Werke sondern das ganze Leben als Kunst(projekt) zu verstehen ist. Die Definition eines jeden (Arbeits-) Tages als Performance Kunst ist für mich der einzige Weg das Leben zu „ertragen“, wenn ich nicht künstlerisch arbeiten und auftreten kann. Um den Kreis zu Kippenberger zu schließen, der es ähnlich beschrieb – nur sein Mittel war Alkohol. Ich kann mich aber nicht jeden Tag sedieren, um die „Welt“ zu ertragen, weil ich Alkohol überhaupt nicht vertrage und außerdem stirbt man davon [4] Martin Kippenberger starb 1997 im Alter von 44 Jahren an den Folgen seiner alkoholinduzierten Leberkrebserkrankung. . Um zum Punkt zu kommen. Die Kunst, irreversibel mit dem Individuum verschmolzen, ist ein Identitätsmerkmal.
Das Thema Individuum und Identität wird durch die Installation aufgegriffen. Im Podest befinden sich Leuchtstofflampen die es von innen blau beleuchten, es hat die Anmutung eines Teils, dass von den Borg – einer hochentwickelten Spezies aus dem Star-Trek Universum – stammt. Existenzinhalt der Borg ist es, sich durch so genannte „Assimilation“ Wissen, Erfahrung und Technologie anderer Spezies anzueignen. Widerstand ist zwecklos! Sie müssen sich fügen! Ist die Antwort auf jede Art von Verweigerung. Individuen werden ungefragt und notfalls gewaltsam integriert und verlieren ihre Individualität. Sie sind nun ein Attribut des Kollektivs, eine Drohne. Durch das Hive-Bewusstsein, das kollektive Bewusstsein, stehen allen Borg alle Informationen und alle Gedanken des Kollektivs zur Verfügung. Individuelle Kommunikation zwischen den Borg ist nicht nötig, da alle immer alles wissen. Primäres Ziel der Borg ist es, vollständige Perfektion zu erlangen. Sie sehen es dabei nicht als Problem an, dass ganze Völker, Arten und Evolutionszweige aus dem Universum verschwinden, wenn sie keinen Widerstand leisten können, weil sie technologisch unterlegen sind, oder weil sie z. B. aus ethisch-religiösen Gründen keinen Widerstand leisten wollen. Im Kontext mit dem Namen des Objektes „Arsch hoch! Wir leben im Computerstaat.“ ergibt sich eine Interpretationsmöglichkeit. Überwachung kostet Individualität. Wird kein Widerstand geleistet droht Totalüberwachung. Totale Überwachung verändert das Bewusstsein der überwachten Menschen und ihr Verhalten. Dies führt zu Änderungen in der Kultur und setzt sich evolutionär fort. Das Resultat ist, dass irgendwann alle genau das machen, was von Ihnen erwartet wird. Ohne Abweichung. In diesem Moment hat der Mensch eine wichtige Eigenschaft, sich seiner Individualität bewusst zu sein und die Möglichkeit zu nutzen sich frei zu entfalten, verloren. Individualitätsverlust. Das Zitat „Arsch hoch!“ ist eine klare Handlungsempfehlung und soll motivieren dem Individualitätsverlust durch permanente Anpassung entgegenzuwirken.
Verweise / References
↑1 | Vgl. Kippenberger, S., Kippenberger: Der Künstler und seine Familien, 2010, ebook S. 206. |
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↑2 | Ebenda. S. 211 |
↑3 | Wikipedia, Die freie Enzyklopädie: Intrinsisch. http://de.wikipedia.org/wiki/Intrinsisch, 24.11.2014 |
↑4 | Martin Kippenberger starb 1997 im Alter von 44 Jahren an den Folgen seiner alkoholinduzierten Leberkrebserkrankung. |
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